„AfD-Verbot jetzt!“
Interview mit der lokalen Gruppe der bundesweiten Kampagne
Wer seid ihr und was macht ihr aktuell?
Wir sind die lokale Gruppe der bundesweiten Kampagne „AfD Verbot Jetzt!“. Wir sind Antifaschist*innen aus der Region und versuchen insbesondere in Halle den Kampf gegen die AfD in die Breite zu tragen und die Forderung nach einem AfD-Verbotsverfahren zu unterstützen. Wir wollen, dass das Bundesverfassungsgericht über ein AfD-Verbot entscheiden kann, um insbesondere Demokratie, die Rechte von Minderheiten und das Rechtsstaatsprinzip zu verteidigen. Trägerin unserer Lokalgruppe ist der Landesverband Sachsen-Anhalt der VVN-BdA, der uns bei unserer Arbeit unterstützt. Bis jetzt haben wir bei verschiedenen Ständen und Kundgebungen Flyer verteilt, Redebeiträge gehalten und das Gespräch mit Passant*innen gesucht. Hier haben wir auch eine Postkarten-Aktion angeboten, das heißt die Menschen konnten direkt Postkarten an Abgeordnete schreiben, um für das Verbotsverfahren zu argumentieren. Das wurde sehr gut angenommen. Außerdem haben wir auch selbst noch Abgeordnete kontaktiert, Gruppentreffen und Fotoaktionen durchgeführt und per Social Media auf das Thema hingewiesen.
Was erhofft ihr euch von einem erfolgreichen AfD-Parteiverbot?
Schon die Ankündigung des Verbots würde der AfD schaden und unentschlossene Wähler*innen erreichen, die im Zuge der gerade stattfindenden „Normalisierung“ der Partei und ihrer Position dazugestoßen sind. Außerdem bedeutet ein Verbot den Entzug von Finanzen und der Legalität der Partei als solches. Neben der staatlichen Parteienfinanzierung gäbe es auch keine Diäten mehr für Abgeordnete und keine Mitarbeiter*innen mehr bei diesen und bei den Fraktionen. Damit werden die Netzwerke der extremen Rechten geschwächt (z.B. „Neue Rechte“). Auch eine Bühne in Talkshows, in Wahlwerbespots, im Straßenbild und in den Parlamenten und Gremien würde es für eine verbotene Partei nicht geben. Der sich legitim gebende Arm des Neofaschismus wäre nicht mehr da. Deshalb macht sich der AfD-Bundesvorstand bereits jetzt Sorgen darum und versucht sich aus strategischen Gründen einzuschränken. Schon das Verfahren selbst bringt also Vorteile und sorgt für strategische Probleme bei der AfD, in der immer ein Konflikt ausbricht, wie mit dem Thema umzugehen ist.
Was braucht es für nächste Schritte für ein AfD-Verbotsverfahren?
Es braucht jetzt Druck aus der Bevölkerung auf die Abgeordneten des Bundestages. Der nächste Schritt ist dann, dass der Antrag der Gruppe rund um Marco Wanderwitz angenommen wird und das Verfassungsgericht mit einer Verbotsprüfung beauftragt wird. Dort wird dann zuerst geprüft bevor es in das Hauptverfahren gehen könnte. Aber es gibt auch noch andere denkbare Schritte: Auch Bundesrat und Bundesregierung können handeln. Letztlich geht es uns darum, dass der Schritt endlich kommt und das auch ein gesellschaftlicher Prozess ist.
Wie schätzt ihr die Chancen ein, dass ein AfD-Verbotsverfahren Erfolg hat?
Wenn es zum Hauptverfahren kommt, dann halten wir einen Erfolg für sehr wahrscheinlich. Die Beweise für das Hinarbeiten der AfD auf einen Umsturz der demokratischen Gesellschaft und der freiheitlichen Grundordnung sind erdrückend. Verschiedene Jurist*innen haben dazu ausgeführt, dass die Merkmale nach Artikel 21 des Grundgesetzes bei der AfD klar vorliegen. Darüber hinaus ist auch ein Teilverbot möglich. Schon heute gibt es gar keine Diskussion mehr, ob manche Landesverbände verfassungswidrig sind. Selbst wenn das Verfassungsgericht also nur einen Teil als das erkennt, was die ganze Partei ist, kann ein ebenfalls wichtiger Schritt sein, denn dann kann das Ergebnis nicht als Freispruch gewertet werden.
Inhaltlich ist die Sache klar, aber es gibt natürlich mögliche Probleme. Zuerst einmal müssen Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung den Antrag stellen. Und das kann es bei der Verhandlung zu ähnlichen Problemen kommen wie beim ersten NPD-Verbotsverfahren, wo V-Leute bei verschiedenen gewalttätigen, anitdemokratischen und faschistischen Positionen und Ereignissen direkt mitgemischt hatten. Obwohl die Unterstützung aus der Bevölkerung riesig war und die Beweise vorlagen, wurde die Entscheidung so verhindert. Das darf nicht passieren, aber das liegt ja in der Hand der Politik: Vor dem Verfahren muss die Staatsfreiheit unbedingt hergestellt sein.
Kritiker*innen des AfD-Verbots äußern häufig, dass mit dem Verbot nicht die verbreiteten gesellschaftlichen Einstellungen verschwinden würden, was entgegnet ihr dieser Kritik?
Wie oben angesprochen findet derzeit eine „Normalisierung“ der AfD statt und die gilt es aufzuhalten. Natürlich werden die überzeugten Faschist*innen weiterhin die AfD gut finden und sich umso stärker im Widerstand wähnen. Aber einige Unentschlossene werden neu darüber nachdenken. Und ohne ein Verbot verfestigen sich die extrem rechten Einstellungen weiter, die Grenzen des Sagbaren werden nach rechts verschoben. Denn die AfD ist ja nicht nur Ergebnis gesellschaftlicher Veränderungen, sondern auch selbst Akteur davon. Sie kämpft für ihre eigene Normalisierung und arbeitet aktiv daran, jede Debatte zu zerstören oder nach rechts zu zwingen. Diese Möglichkeit wird ihr mit einem Verbot genommen und es wäre ein symbolisches Stopp-Zeichen gegenüber der Inszenierung der Legalität.
Mit Blick auf die Weimarer Republik wissen wir, dass es ein NSDAP-Verbot spästestens 1932 hätte geben müssen. Das Tragische dabei ist, dass es durchaus Verbote von NS-Strukturen gab, die auch in Teilen wirksam waren, aber nie konsequent durchgezogen wurden und viele darauf setzten, den Faschismus an der Macht einzuhegen. Die Lehre daraus ist, stattdessen auf konsequente Verbote zu setzen und nicht so lange zu warten, bis der Faschismus an der Macht ist. Denn dann ist es zu spät.
Einige Kritiker*innen befürchten auch, dass ein Verbot der Partei vielmehr zu einer massenhaften Solidarisierung mit den extremen Rechten führen könnte. Wie steht ihr dazu?
Natürlich kann es dazu kommen, dass die Rechten die „Opferrolle“ bedienen und damit Menschen erreichen. Aber das machen sie jetzt schon. Die maximale Empörungsmaschine wird auch angeworfen, wenn ein Wahlplakat schief hängt oder faschistische Politiker*innen in einer Talkshow mal unterbrochen wurden. Die Empörung, die auf ein AfD-Verbot folgen könnte, kompensiert aber nicht die staatliche Finanzierung und die fehlende Institutionelle Verankerung. Wir haben darüber hinaus Zweifel an der dauerhaften Mobilisierungsfähigkeit der AfD für diesen Zweck. Schließlich würde der gut ausgestattete Apparat wegfallen und Nachfolgeorganisationen wären ebenfalls von dem Verbot betroffen. Und die AfD hat für ihre Wahlergebnisse nicht viele Mitglieder (ca. 50.000, ungefähre Mitgliederzahlen der anderen Parteien: Linke: 60.000, FDP: 72.000, Grüne: 150.000, CDU: 363.000, SPD: 365.000), das Engagement für die Partei hält sich also in Grenzen. Aber ein Verbotsverfahren muss natürlich begleitet werden und ist eine langfristige Angelegenheit. Wir wollen einen Antifaschismus mit langem Atem. Die Menschen müssen mit Aufklärung erreicht werden, aber eben auch mit guter Politik, die auch Antworten auf die akute soziale Krise gibt.
Welche Risiken seht ihr in der Forderung von Parteiverboten (insbesondere mit Rückblick auf vergangene Verbote sozialdemokratischer, sozialistischer und kommunistischer Parteien)?
Das KPD-Verbot von 1956 war extrem ungerecht. Es gab falsche Vorwürfe und keine Verhätnismäßigkeit. Die KPD hatte gar keine Möglichkeit, eine Revolution durchzuführen und hatte sich ja vor allem an Protesten gegen die Wiederbewaffnung beteiligt. Die KPD war die einzige kommunistische Partei in den europäischen Demokratien, die verboten wurde. Das ist neben der Tatsache, dass manche Kommunist*innen dann vor Richtern sitzen mussten, die sie bereits in der Weimarer Republik und im NS-Staat ungerecht verurteilt hatten, ein bleibender Skandal.
Aber es ist kein „Naturgesetz“, dass aus der richtigen Anwendung eines Gesetzes auch eine falsche Anwendung erfolgt. Dass die KPD vier Jahre nach dem notwendigen Verbot der Nazi-Partei SRP ebenfalls verboten wurde, war keine juristische Zwangsläufigkeit, sondern war Ergebnis eines enormen Drucks aus der Politik. Und umgekehrt hätte es für das KPD-Verbot auch gar kein Verbot der SRP gebraucht. Aus unserer Perspektive müssen die Verfahren für sich diskutiert werden.
Wenn man die konsequente Ahndung rechter Gewalt fordert, arbeitet man ja auch nicht schärferen Polizeigesetzen zu. Vielmehr fordert man den Einsatz bestehender Möglichkeiten.
Der gesellschaftliche Rechtsruck zeigt sich nicht nur im Aufstieg der AfD, sondern vielmehr auch an der Übernahme rechtsradikaler Positionen von den sogenannten „Parteien der Mitte“.
Was muss aus eurer Sicht passieren, um dem gesellschaftlichen Rechtsruck zu begegnen und welche Rolle spielt dabei das AfD-Verbot?
Das Verbot ist nicht nur praktisch wirksam, sondern auch eine Forderung an die Demokrat*innen, antifaschistische Politik zu machen und dabei konsequent zu sein. Die Brandmauer darf nicht nur in Sonntagsreden vorkommen, sondern muss aktiv gelebt werden. Und sie ist personell, strukturell, aber eben auch inhaltlich zu begreifen. Damit ist gemeint, dass es auch keine Übernahme rechtsradikaler Positionen geben darf. Wenn Parteien der sogenannten „Mitte“ Abschiebungen im großen Stil fordern, wenn sie mehr Überwachung und Kontrolle verlangen, wenn sie die „Das Boot ist voll“-Rhetorik bedienen, um ja nicht mit der Schuldenbremse aufräumen zu müssen, dann wird die Brandmauer ignoriert oder gleich eingerissen. Die derzeitige Drangsalierung von Geflüchteten durch die „Bezahlkarte“ und andere völlig sinnlose repressive Maßnahmen, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie demokratische Parteien kostenlose Propaganda für die AfD machen und sich daran beteiligen, das Prinzip der Menschenwürde zu relativieren. Stattdessen braucht es Politik in klarer Abgrenzung zur AfD.
Die Forderung nach dem Verbot einer faschistischen Partei ist die Forderung nach einer Demokratie, die die Menschenrechte achtet und alle seine Entscheidung unter die Prämisse stellt, dass die freie und gleiche Entfaltung aller Menschen möglich ist. Das heißt, es muss sich natürlich viel ändern: Die Politik muss die soziale Frage aufgreifen, den Frieden fördern, muss Bildung, Wissenschaft und Erziehung ausfinanzieren, muss Kinder- und Altersarmut bekämpfen und eine öffentliche Daseinsvorsorge schaffen, die vom Jugendklub bis zum Seniorenheim für alle da ist. Eine ökologisch und sozial gerechte Gesellschaft ist sowieso das beste Mittel gegen Umsturzfantasien von rechts.